Chemische Industrie: Erholung lässt weiter auf sich warten

Die Mitgliedsunternehmen der Chemieverbände Rheinland-Pfalz lassen sich in die Branchen Chemischen Industrie, Pharmaindustrie sowie Kunststoffverarbeiter und Gummiwarenhersteller einteilen. Der folgende Bericht gibt einen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung in den drei Branchen.

Konjunkturzahlen Chemie, Pharma, Kunststoff/Gummi 2024 zu 2023

Branche kämpft weiter mit strukturellen Problemen

Die chemische Industrie in Deutschland blickt auf ein weiteres schwieriges Jahr zurück. Zwar stieg die Chemie-Produktion 2024 um spürbare 12,5%, dennoch liegt der Output weiterhin deutlich unter früheren Niveaus - im Vergleich zu 2015 beträgt das Minus 21,8 %. Der Branchenumsatz ging um 3,4% auf 27,2 Milliarden Euro zurück, wobei der Inlandsumsatz mit -5% stärker schrumpfte als das Auslandsgeschäft (-2,9%). Besonders besorgniserregend: Die Auslastung der Produktionsanlagen verharrte mit durchschnittlich 75% deutlich unter der Rentabilitätsschwelle, was bereits zu ersten dauerhaften Anlagenschließungen führte. Aktuell ist die durchschnittliche Beschäftigungszahl mit 46.184 stabil.

Kunststoff- und Gummiwaren leiden unter Automobilkrise

Auch die Betriebe der Kunststoffverarbeitung und die Gummiwarenhersteller haben im abgelaufenen Jahr weniger Waren hergestellt. So ging die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozentpunkte zurück. Der Rückgang spiegelt die angespannte wirtschaftliche Lage der Betriebe wider, die vorwiegend im Bereich Automotive tätig sind. Der Jahresumsatz 2024 betrug 5,9 Milliarden Euro und konnte gegenüber dem Vorjahr um 3,3 Prozentpunkte zulegen. Die Zahl der Beschäftigten sank um 2,1 Prozent auf 21.842 Beschäftigte im Jahresschnitt.

Pharmabranche: Ende des Corona-Booms prägt Entwicklung

In der Pharma-Branche ging die Produktion um 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. In den Büchern standen 38,9 Prozent weniger Aufträge und der Branchenumsatz ging um 15,1 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro zurück. Bei der Entwicklung ist ein Sondereffekt durch Corona zu berücksichtigen. Während der Corona-Zeit hat der Verkauf von Impfschutzmitteln die Produktion und Umsätze in der Branche deutlich steigen lassen. Im gleichen Maß nivellieren sich die Zahlen nun wieder. Vor dem Hintergrund sind auch die sinkenden Beschäftigtenzahlen zu bewerten. Diese gingen um 1,1 Prozent auf 11.158 zurück. Langfristig ist mit einem höheren Bedarf an qualifizierten Fachpersonal zu rechnen. Auch aufgrund der Neuansiedlung eines Pharma-Unternehmens in der Region Alzey.

 

Schwacher Start ins Jahr 2025

Die Daten des statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz zeigen zum Jahresstart 2025 eine weiter rückläufige Entwicklung: Die Chemieproduktion ging im Vergleich zum Vormonat um 3,2% zurück. Ein kleiner Lichtblick sind die leicht gestiegenen Auftragseingänge (+0,5%). Die Beschäftigung in der Branche sinkt weiter, in Rheinland-Pfalz beispielsweise um 1,8% gegenüber dem Vorjahr. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund von Sparmaßnahmen und Restrukturierungen in der Branche der Trend weiter anhält.

Wettbewerbsfähigkeit unter Druck

Eine aktuelle BCG-Studie im Auftrag des Verbandes der chemischen Industrie (VCI) zeigt: Die Produktivität der deutschen Chemieunternehmen müsste um 10-30% steigen, um wieder international wettbewerbsfähig zu sein. Viele Unternehmen reagieren mit Kostensenkungsprogrammen. Die Innovationsbudgets werden vor allem am Standort Deutschland gekürzt, während Investments in den USA, Asien und anderen europäischen Ländern zunehmen.

Gespaltene Zukunftserwartungen

Die Branche ist in ihrer Prognose für die kommenden Monate gespalten. Während einige Unternehmen auf eine Erholung ab Sommer 2025 hoffen, rechnet die Hälfte erst 2026 oder später mit einer nachhaltigen Besserung. Der VCI prognostiziert für 2025 lediglich eine Stagnation bei Produktion und Umsatz.

Aus den Betrieben wird berichtet, dass diese viel unternommen haben, um die Kosten zu senken, um das Ergebnis zu verbessern und so international wettbewerbsfähig zu sein. So haben Betriebe die Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert und bestellen erst, wenn Aufträge erteilt werden. Das sorgt wiederum für lange Lieferzeiten. Insgesamt bleibt das Geschäft rückläufig. Hinzu kommt die Unsicherheit durch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen, wie der Zollpolitik.

Eine Last für die Unternehmen bleiben die Bürokratie und zunehmende Regulierung durch die Politik, insbesondere das „Goldplating“ auf Bundes- und teilweise Landesebene.

 

Forderungen an die Politik

Die Branche richtet klare Forderungen an die Bundesregierung:

  • Deutliche Senkung der Energiekosten zur Wiederherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
  • Spürbarer Abbau von Bürokratie und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
  • Unternehmenssteuerreform mit deutlicher Entlastung
  • Priorisierung von Infrastruktur-, Sicherheits- und Bildungsausgaben
  • Verbindliche Fiskalregeln neben der Schuldenbremse
  • Ohne diese Reformen, so die Einschätzung des VCI, wird es kaum gelingen, den Chemiestandort Deutschland wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen.

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