Steigende Fallzahlen und Wünsche nach Tarif-Flexibilisierung

Die Rechtsabteilung im Arbeitgeberverband verzeichnete weiterhin eine deutlich gestiegene Nachfrage aus den Mitgliedsunternehmen. Besonders verhaltensbedingte Kündigungen und die Begutachtung von Verträgen, Abmahnungen und Eingruppierungen sowie der Umgang mit Kurzzeiterkrankungen beschäftigten die Juristen.

Steigende Nachfrage nach Rechtsberatung

Unsere Syndikusanwälte verzeichneten 2024 eine weiter zunehmende Auslastung auf hohem Niveau. So haben nicht nur die Beratungsanfragen aus unseren Mitgliedsunternehmen zugenommen. Auch die Zahl der Prozesse ist spürbar gestiegen. Der Schwerpunkt lag bei verhaltensbedingten Kündigungen wegen Fehlverhaltens im Krankheitsfall, besonders vor dem Hintergrund der Zunahme von Kurzzeiterkrankungen in der Branche.

Um die gestiegene Nachfrage nach rechtlicher Beratung in langfristigen Projekten wie etwa Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen besser bewältigen zu können, hat sich das Tandem-Modell bewährt: Zwei Juristen betreuen gemeinsam ein Projekt, was schnellere Reaktionszeiten und bessere Verfügbarkeit bei kurzfristigen Verhandlungsterminen gewährleistet.

Zunahme der Kurzzeiterkrankungen ist Problem für die Betriebe

Die Zahl der Kurzzeiterkrankungen ist in Deutschland weiterhin auf einem hohen Niveau. Laut Statistik betrug im Verarbeitenden Gewerbe die durchschnittliche Krankheitsdauer rund 22 Tage – bezogen auf das Bundesland Rheinland-Pfalz waren es sogar 24 Tage.

Eine Entwicklung, die auch die Betriebe der chemisch-pharmazeutischen Industrie trifft. Organisatorische und finanzielle Herausforderungen sind die Folge. So führen häufige Kurzzeiterkrankungen in der Belegschaft zu Mehrarbeit und Stress bei den verbleibenden Kollegen, Produktionsprozesse werden beeinflusst und zusätzliche Kosten entstehen.

Diese sind für die Arbeitgeber erheblich: Bis zu sechs Wochen zahlen sie das volle Gehalt weiter. Die Gesamtbelastung für die deutsche Wirtschaft durch Entgeltfortzahlung belief sich 2024 auf fast 78 Milliarden Euro. Die entspricht einer Verdopplung der Kosten innerhalb der letzten 14 Jahre. Kosten, die in der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage die Betriebe unnötig zusätzlich belasten.

Das Dilemma der Arbeitgeber zeigt sich in der täglichen Praxis: Die Unterscheidung zwischen echten und vorgetäuschten Krankmeldungen stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Besonders, da telefonische Krankschreibungen vom Gesetzgeber erlaubt sind. Wenn daher eine vorgetäuschte Krankmeldung nachgewiesen werden kann, reagieren die Unternehmen entschlossen in der juristischen Auseinandersetzung.

Flexibilisierung als Lösungsansatz

Die wirtschaftlich angespannte Lage zwingt unsere Mitgliedsbetriebe, nach Wegen zur Kostensenkung zu suchen. Die hohen Personalkosten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie sind deswegen besonders im Mittelstand im Fokus. Im Vergleich liegt Deutschland in der Spitzengruppe der teuersten Arbeitskosten-Standorte. Länder wie die USA, Japan und Großbritannien haben deutlich niedrigere Arbeitskosten. Um den deutschen Standort wettbewerbsfähiger zu machen, ist die Nachfrage nach Flexibilisierungsmöglichkeiten gestiegen.

Verhältnis zur Arbeit ist im Wandel

Ein weiterer Trend, der die Unternehmen beschäftigt, zeichnet sich bei den Arbeitszeiten ab: Der Wunsch nach mehr Freizeit steigt stetig. Beschäftigte wünschen sich zunehmend kürzere Arbeitszeiten - und das über alle Generationen hinweg. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft möchten deutsche Arbeitnehmer ihre Wochenarbeitszeit im Schnitt um fünf Stunden reduzieren.

Betroffen ist davon auch die Fachkräftesicherung. Immer stärker werden etwa Chemikanten gesucht – und immer seltener gefunden. Diese Entwicklung stellt besonders die Schichtarbeit in der chemischen Industrie vor neue Herausforderungen und damit den Kern der Wertschöpfungsprozesse der Branche.

 

Flexibler Chemie-Tarif

Die chemische Industrie bietet flexible Tarifverträge, die sich an die Bedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten anpassen lassen.

Kernelemente der Flexibilisierung:

Arbeitszeit:
• Regelarbeitszeit: 37,5 Stunden/Woche
• Arbeitszeitkorridor: 32-40 Stunden möglich
• Verschiedene Arbeitszeitkonten-Modelle mit Verteilzeitraum bis 36 Monate

Entgelt:
• Abweichung bis zu -10% bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten über Tariföffnungsklausel
• Absenkung der Jahresleistung
 


Ausführliche Informationen:
Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC)
www.bavc.de/tarifpolitik/flexibilisierung

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