Die chemische Industrie Deutschlands leidet zum einen unter einer gigantischen Regulierungswelle, die aus der EU hereingebrochen ist. Zum anderen macht uns in die Praxis des "Gold-Plating" – der Verschärfung von EU-Richtlinien bei der Umsetzung in deutsches Recht – oftmals zu schaffen. Und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz verfällt leider mit ihrem Landesklimaschutzgesetz in das gleiche Muster. Aber es gibt auch Lichtblicke.
Im Zuge des Green Deal kam es durch die EU-Kommission zu einer nie dagewesen Regulierungswelle. In der neuen Kommission scheint sich aber nun endlich die Einsicht durchzusetzen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Mehr noch: Bereits verabschiedete Gesetzespakte sollen in sogenannten Omnibus-Verfahren entschärft und verschlankt, teilweise auch überhaupt erst kompatibel mit angrenzenden Rechtsnormen gemacht werden. Den Anfang macht das Omnibus-Verfahren zur Nachhaltigkeit, mit dem Inkrafttreten und Geltungsbereiche weniger drastisch ausgestaltet werden sollen. Die deutsche Wirtschaft fordert, das Konzept bei Gelingen breit auf verschiedene Rechtsnormen anzuwenden, wie z.B. Chemikalienrecht (REACH), Wasserrahmenrichtlinie, das Konzept der erweiterten Herstellerverantwortung in der KARL (Kommunalabwasser-Richtlinie), Ecodesign-Regulierung, Bodenschutzrecht (Soil Monitoring Law) und die IED-Richtlinie. Das könnte ein Ansatz sein, um in absehbarer Zeit eine Reihe von Verbesserungen zu erzielen.
Gold-Plating als Bremse: Überregulierung in Deutschland
Dennoch bleibt das Gold-Plating, die Verschärfung von EU-Richtlinien bei der Umsetzung in deutsches Recht, weiterhin ein Problem. Bei den ersten Vorschlägen der Umsetzung der IED-Richtlinie in deutsches Recht zum Beispiel wurde plötzlich der Geltungsbereich von den IED-Anlagen auf alle genehmigungsbedürftigen Anlagen im deutschen Recht erweitert! Ebenso sind nicht alle pragmatischen Optionen genutzt worden, z.B. bei der Forderung nach Umweltmanagementsystemen und der Frage, ob diese anlagenscharf ausgestaltet sein müssen. Aber auch hier gibt es Hoffnung, da nach einem Planspiel unter VCI-Beteiligung der Dialog mit dem zuständigen Bundesumweltministerium neu Fahrt aufgenommen hat.
Ein weiteres prominentes Beispiel findet sich in der Energieeffizienzgesetzgebung. Hier schreibt Deutschland den Unternehmen deutlich strengere Einsparziele vor als von der EU gefordert. Dies zwingt die Betriebe zu kostspieligen Zusatzinvestitionen und schafft neue bürokratische Hürden. Unternehmensverbände warnen unisono, dass diese Überregulierung die Innovationskraft und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zunehmend gefährdet.
Wettbewerbsverzerrung durch nationale Sonderwege
Die Auswirkungen des Gold-Plating sind für die Unternehmen gravierend. Die zusätzlichen bürokratischen Auflagen und höheren Kosten belasten die Betriebe stark. Im europäischen Binnenmarkt führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen, da Unternehmen in anderen EU-Ländern oft weniger strenge Vorschriften erfüllen müssen.
Als Alternative zum Gold-Plating wird ein "Silver-Plating-Ansatz" diskutiert. Dieser würde zusätzliche nationale Vorschriften auf das absolut notwendige Minimum beschränken. So könnten hohe Standards gewahrt und gleichzeitig Effizienz und Innovation gefördert werden. Die Branche plädiert für eine zielgerichtete Umsetzung von EU-Richtlinien, die nationale Besonderheiten berücksichtigt, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.
EU-Initiative gegen Zersplitterung des Binnenmarkts
Die EU-Kommission hat die Problematik erkannt und im Januar 2025 Gegenmaßnahmen angekündigt. Ziel ist es, eine weitere Zersplitterung des europäischen Binnenmarktes zu verhindern. Die chemische Industrie begrüßt diese Initiative, da sie sich davon eine Vereinfachung der Regulierung und spürbare Entlastungen bei den Bürokratiekosten verspricht.
Für die Zukunft der chemischen Industrie in Deutschland wird entscheidend sein, eine ausgewogene Balance zwischen nationalen Interessen und europäischer Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Die Branche benötigt verlässliche Rahmenbedingungen, die Planungssicherheit bieten und gleichzeitig genügend Spielraum für Innovation und Wachstum lassen.
Landesklimaschutzgesetz in Rheinland-Pfalz: Überambitioniert und realitätsfern?
Daher sehen es die Chemieverbände kritisch, dass das Land Rheinland-Pfalz ein Landesklimaschutzgesetz mit verbindlicher Klimaneutralität bereits im Jahr 2040 anstrebt. Laut Klimaschutzministerium könne es der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald (kurz: LULUCF) richten, obwohl alle Zahlen der letzten Jahre zeigen, dass der Wald keine sichere Senke mehr darstellt. Das ist ein Paradebeispiel für ein zweistufiges Goldplating, vom EU-Ziel „Klimaneutralität im Jahr 2050“, über den Bund „Klimaneutralität im Jahr 2045“ hin zum Land („Klimaneutralität in 2040“).